Momentaufnahme März

Nektar - das „Flugbenzin der Insekten“

In der Momentaufnahme März möchte ich den Blick auf eine andere wichtige Rolle vom Nektar lenken, als die des Rohstoffs für Honig: Es ist der Energielieferant für eine ganz Reihe von Insekten, die aus der Winterruhe aufwachen und dann kontinuierlich energiereiche Nahrung aufnehmen müssen für den Erhalt der Körperfunktionen und als „Treibstoff“ für die Flugmuskulatur. Um es noch bildlicher darzustellen, nenne ich Nektar das „Flugbenzin der Insekten“.

Nektar wird in Wikipedia definiert als eine wässrige Flüssigkeit, die reich an verschiedenen Zuckerarten […] ist und auch Minerale und Duftstoffe enthält. Der Nektar wird in den Blüten von Pflanzen als Drüsensekret aus den Nektarien (Honigdrüsen) ausgeschieden, um Tiere anzulocken, die den Pollen dieser Pflanzen zu Blüten der gleichen Art zum Zwecke der Fortpflanzung […] transportieren sollen.“

Honigbienen tragen diesen süßen Saft in großen Mengen ein und stellen daraus Honig her. Wenn dieser reif ist und in der Bienenwabe mit Wachs dicht verschlossen ist – der Imker nennt diesen Zustand „verdeckelter Honig“ – ist er für das Bienenvolk lange haltbar und ganzjährig als Energiereserve verfügbar.

Das Einlagern von Energie in dieser Form und Menge ist in der Insektenwelt nahezu einmalig. Lediglich die Hummeln, die ebenfalls zu den Bienen zählen, fertigen in den Sommerstaaten kleine Honigtöpfchen zum Aufbewahren kleiner Vorräte. Aber die anderen, mehrere Hundert Arten an Solitär-Bienen  in unserer Landschaft (oft Wildbienen genannt), die ebenfalls enge Verwandte der Honigbiene sind, leben nur von den Blüten, die unmittelbar im Flugkreis der Tiere zu finden sind. Und wenn wir im Frühjahr mit etwas Ruhe den Blick über blühende Pflanzen schweifen lassen, sehen wir ebenso Schmetterlinge, Fliegen, Schwebfliegen, einige Käferarten, aber auch die Königinnen der sozialen Faltenwespen an der Nektar-Tankstelle.

Beispiel: Hummelkönigin

Zur Darstellung der Bedeutung von Nektar für Insekten sind Hummeln bestens geeignet. Jeder hat ein so wunderschönes großes Tier schon gesehen, wenn es in Mittagssonne der ersten warmen Märztage flach über den Boden brummt und jedes Mauseloch inspiziert. Die Hummel ist auf Nistplatzsuche. Meistens kommt sie sogleich wieder heraus, aber manchmal bleibt sie auch länger drin. Das könnte ein Zeichen sein, dass sie eine geeignete Nisthöhle gefunden hat. Das feingliedrige trockene Grasbüschel eines verlassenen Mäusenestes im Erdboden wäre solch ein idealer Nistplatz. Und dann sieht man sie für einige Minuten gar nicht mehr. In diesem Moment, wo sie unseren Augen entwischt, fliegt sie garantiert zu einer Blüte, um mit ihrem langen Saugrüssel Nektar aufzunehmen. Der „Tank war leer“.

An dieser Stelle ist es nötig, den Unterschied zwischen den beiden „Bienen“ Hummel und Honigbiene noch einmal hervorzuheben. Er besteht darin, dass die Honigbiene den gesamten Jahreszyklus mit vielen Tieren als Bienenstaat durchlebt und in Krisenzeiten, wie etwa Kälte- und Regenperioden oder den Winter über, stets auf eingelagerte Energiereserven zurückgreifen kann. Hummeln hingegen bilden nur sogenannte Sommerstaaten. Die härtestete Krisenzeit – den Winter – überdauern nur die Königinnen in Kältestarre an einem trockenen kalten Platz. Und genau diese riesigen „Hummel-Brummer“ können wir in den ersten Frühlingstagen nach dem Erwachen aus der Winterruhe beobachten.

Die Hummel-Königin hat keinerlei Reserve. Bis die ersten Arbeiterinnen vom neuen Hummelvolk Pollen und Nektar eintragen, bewältigt die Königin die Nistplatzsuche, die Nestgründung, den Bau der ersten Brutnäpfchen, die Eiablage, das Brutwärmen, das Sammeln von Pollen und Nektar zur Ernährung der Hummel-Larven, deren Versorgung sowie ihre eigene Ernährung mehrere Wochen lang völlig allein. Um das alles für den Start eines neuen Hummel-Volkes leisten zu können, muss sie in ihrem Lebensraum stets, leicht und zuverlässig Nektarquellen finden können. Ohne diese leicht verfügbaren Kohlenhydrate aus dem Nektar wird sie sehr bald kraftlos auf den Boden fallen und zu Grunde gehen.

Die Anzahl an Insektenarten, denen ähnlich der Hummel der Start nach dem Winter nur gelingen kann, wenn sie Nektar als Energiequelle finden, ist groß, auch wenn sie uns nicht so unmittelbar begegnen wie Honigbienen und Hummelköniginnen.

 

Wespenkönigin an einer Salweidenblüte
Hummelkönigin am Wiesengoldstern
Hummelkönigin an einer Salweidenblüte
Honigbiene am Drebacher Krokus

Klasse und Masse

Zuletzt seien noch die zwei Aspekte betont, die für die Insektenwelt um uns herum von entscheidender Bedeutung sind:

Artenvielfalt an Pflanzen und Blütenmenge.

„Viele Arten“ bedeutet, dass über eine lange Zeitspanne hinweg kontinuierlich immer blühende Pflanzen vorhanden sind. Unter Imkern gibt es dafür den Begriff „Tracht-Fließband“. Zudem können längst nicht alle Insekten jede Pflanzenart nutzen. Allein die sehr unterschiedliche Länge der Saugrüssel bei den einzelnen Insektenarten ist ein hartes Differenzierungsmerkmal, welche Blüte von welchem Insekt genutzt werden kann.

Und „viele Blüten“ beutet, dass alle satt werden. Dabei geht es in erster Linie gar nicht darum, ob in den einzelnen Blüten auch wirklich genug Nektar drin ist. Es geht schlicht und einfach um die leichte Verfügbarkeit des Nektars in kürzester Zeit, ohne dass die Tiere ihrem Instinkt folgend lange danach suchen müssen. In der Natur ist das so „geregelt“, dass für die Arterhaltung immer ein Überfluss an Nahrung im Lebensraum der jeweiligen Insektenart vorhanden sein muss. Schwindet der Überfluss auf das nach unserem Ermessen theoretisch gerade noch ausreichende Maß, verschwindet auch die Art irgendwann. Die Lücken zwischen den einzelnen als Nahrung in Frage kommenden Blüten werden zu groß. Die Tiere verbringen zu viel Zeit mit Suchen, anstatt Nahrung aufnehmen zu können. 

Das planvolle Vorgehen, wie viel von einem Produkt wann und wo verfügbar ist bzw. gebraucht und beschafft werden könnte, ist allein uns Menschen vorbehalten. Das DENKEN verleiht uns die Möglichkeit, Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen, mit knappen Ressourcen zu arbeiten, manches künstlich zu verknappen, aber auch Rohstoffe sehr zielgenau und wirtschaftlich einzusetzen. Diese Liste menschlicher Fähigkeiten lässt sich lange fortsetzen. Fatal wird es deshalb immer dann, wenn wir das „menschlich planvolle und vernünftige Verhalten“ gedanklich so auf die Natur übertragen, dass wir annehmen, Natur könne Angebot, Nachfrage oder Knappheit einer Ressource ebenso managen, wie es die menschliche Gesellschaft zu tun versucht.

Fazit

Im März gibt es nur ganz wenige wildwachsende Pflanzenarten mit Nektar spendenden Blüten. Der „Superstar“ unter ihnen ist sicher die Salweide.  Jedoch kommen mit steigender Sonne nach und nach weitere Pflanzen zur Blüte, die neben Pollen ebenfalls reichlich Nektar abgeben.

Bei der Ernährung der Insekten gilt vor allem im zeitigen Frühjahr eindeutig das Prinzip „Klasse UND Masse“, denn Wildorganismen leben von dem, was sie im Lebensraum gerade finden. Neben der Artenvielfalt an Pflanzen ist auch der Überfluss an Nahrung spendenden Blüten ein Grundprinzip, ohne das die Natur um uns herum nicht existieren kann.

Weiterführender Text: Die Salweide https://imkerei-schreiter.de/wissenswertes/